Parademarsch.

Militär-Humoreske aus vergangener Zeit von H. v. Selbit
in: „Mülheimer Zeitung” vom 7.1.1899


Eine Kompanie marschiert aus der Kaserne auf den Exerzierplatz: „Halt! Beim Fuß; G'wehr! Ruht!“ kommandiert der Herr Hauptmann N. N. — dort angekommen — „Aber Obacht geben!”

„Männer! Am Donnerstag kommt der Generalmajor Ritter v. Hager zur Inspizierung der Kompanie. Ihr wiß;t, der Herr General raucht keinen Guten; darum bitte ich mir aus, daß; von Euch ein ordentlicher Parade—Marsch vor dem Herrn General ausgeführt wird.”

„Ihr Hannaken, könnt schon, wenn ihr wollt, also auftreten, daß; der Erdboden zittert und den Herrn General fest angeschaut, als ob ihr ihn auffressen wolltet! Verstanden?!” so schloß; der Hauptmann seine Ansprache; es war anfangs der sechziger Jahre dieses saecuulums.

Der Hauptmann N. N. war bei seiner Kompanie ein sehr beliebter Offizier, der gern im Dienste, beim Exerzieren, furchtbar streng erschien, aber im Grunde seines Herzens doch ein guter, wohlwollender, für seine Untergebenen besorgter Herr war.

Freiloih wetterte er manchmal vor der Front, dß; man glaubte, ein Donnerwetter zöge am Horizonte herauf, und: „Ihr Seehunde, ich sperre Euch ein, daß; Euch die Rippen krachen,„ ertönte es zornig aus seinem Munde; er sprang auch wohl, wutschnaubend, auf einen Mann zu, der einen Fehler gemacht hatte, als ob er diesen mit dem Säbel durchbohren wollte; thaten aber nun die Leute ihre Schuldigkeit und griffen ordentlich zu, daß „die Gewehrläufe beinahe entzwei sprangen„ und warfen sie auf Kommando die Augen „mit einem hörbaren Ruck” nach rechts, dann war der Hauptmann wieder besänftigt, und die nach Dutzenden von Tagen verhängten Arreststrafen wurden wieder zurückgenommen.

„, Ihr Heiducken!” fährt der Hauptmann fort — jetzt wollen wir einmal den Parademarsch probieren, geht er gut, rücken wir ein, geht er schlecht, exerzieren wir bis heute Nacht 12 Uhr beim Mondenschein! Also kommt es nur gan auf Euch an, ob wir bald wieder zu Hause in der Kaserne sein werden!”„Tambour Schlegel! Du haust immer einen schönen Stiefel auf Deinem Kalbsell herunter. Du kannst ja gar keinen Takt halten; Dich kann ich nicht zum Trommler brauchen: Du stellst daher jetzt den General vor: Du nimmst dort bei der Linde, es ist die groß;e, dicke, Aufstellung, und ich führe Dir die Kompanie im Parademarsch vorbei! Korporal, sagen Sie, die Frauenzimmer sollen ihre Wäsche vom Boden wegnehmen.” — „Sehr wohl, Herr Hauptmann!” erwidert der Tambour und setzt sich in Trab; an der bezeichneten Linde angekommen, macht er Halt, legt seine Trommel ab und stellt sich auf dieselbe, damit er größ;er — gleichsam zu Pferde sitzend — erscheine, denn jenesmal waren die Trommeln noch bedeutend größ;er und höher als jetzt.

„Die Kompanie in drei Zügen formiert.”

„Hoch's Gewehr!“ kommandiert der Hauptmann, und „wie ein Blitz” sausen die Gewehre auf die Schultern.

„Pa—ra—de—Marsch! Kompanie Marsch! und „Trum, trum, trum!” schlagen die zwei übrigen Tamboure auf ihr Kalbfell ein; der Hauptmann — damals noch nicht beritten — setzt sich an die Tôte seiner Kompanie.

Der Tambour—General stellt sich in Positur, als sich die Kompanie seinem Standorte nähert.

„Schultert's G'wehr!” kommandiert der Leutnant des ersten Zuges und leise ruft er seinen Leuten zu: „Blast die Backen auf: dreht Eure Salzbüchseln(Augen) heraus, daß; der Herr General nur das Weiß;e in den Augen sieht! So — „Augen rechts!” Der Hauptmann senkt salutierend den Säbel vor seinem Tambour—General; dieser hebt vornehm nachlässig die Hand an den Helm, mustert den Hauptmann mit strengem Blicke und schüttelt einigemal — miß;billigend — mit dem Kopfe.

Die drei Züge sind an dem Herrn General vorübermarschiert: in einiger Entfernung läß;t der Hauptmann die Kompanie halten und schreite: auf den Tambour zu und fragt:

„Nun, Tambour, wie war der Parademarsch?”

„O, mein Herr Hauptmann! Schlecht! — miserabel! — einen solchen schlechten Parademarsch hab' ich in meinem Leben noch net g'sehn! Herr Hauptmann, den dürfen Sie noch fleiß;ig probieren, sonst spukts, wenn der Herr General kommt!”

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